Stellungnahme Tihange November 2018

Stellungnahme der INRAG zu den Risiken im Zusammenhang mit dem
Kernkraftwerk Tihange 2, November 2018

Folgende Stellungnahme zu den Risiken im Zusammenhang mit dem
Kernkraftwerk Tihange 2 wurde von der INRAG am 8. November verabschiedet

INRAG Stellungnahme 8. November 2018

Die Stellungnahme wurde am 15. November 2018 an das deutsche
Umweltministerium übermittelt:

Sehr geehrte Frau Ministerin,

als Vorsitzender der internationalen Organisation unabhängiger Nuklearexperten „INRAG“ übersende ich Ihnen eine Stellungnahme zum belgischen Kernkraftwerk Tihange 2.  INRAG hatte im April dieses Jahres in Aachen – unter der Schirmherrschaft von Ministerpräsident Laschet und ausgerichtet von der Städteregion Aachen – eine öffentliche Konferenz zu den Sicherheitsproblemen des belgischen Kernkraftwerks Tihange 2 mit hochrangigen nationalen und internationalen Experten durchgeführt. Dabei wurden u.a. auch die von Ihrer Beraterorganisation RSK identifizierten offenen Punkte des Sicherheitsnachweises dargestellt. Bei dieser Konferenz kam der ehemalige Chairman der Nuclear Regulatory Commission der USA, Gregory Jaczko, ähnlich wie die INRAG, deren Mitglied er ist, zu dem Schluss, dass solch eine Anlage wie Tihange 2 stillzulegen sei, wenn sie nicht repariert werden könne. Eine Reparatur des Reaktorsicherheitsbehälters oder dessen Austausch kommen offensichtlich nicht in Betracht. Noch im Jahr 2016 erklärte auch das deutsche Umweltministerium, dass ein Nachweis ohne Berücksichtigung des gestaffelten Sicherheitskonzepts, wie er vom belgischen Betreiber geführt wird, grundlegenden Vorgehensweisen zur Bewertung der Sicherheit von Atomkraftwerken widerspreche.

Im Juni veröffentlichte das Bundesumweltministerium eine neue Stellungnahme der RSK, auf deren Grundlage Sie die Forderung Ihrer Amtsvorgängerin nach einstweiliger Abschaltung von Tihange 2 bis zur Klärung der Sicherheitsfragen zurücknahmen. INRAG hat die Stellungnahme der Reaktorsicherheitskommission vom 23.05.2018 eingehend geprüft. Nach Auffassung von INRAG enthält die neue Stellungnahme der Reaktorsicherheitskommission keine belastbare Grundlage, vor den Risiken des Kernkraftwerks Tihange 2 Entwarnung zu geben. Ein katastrophales Versagen der Anlage, insbesondere des Reaktordruckbehälters ist weiterhin nicht praktisch ausgeschlossen. Der Betrieb der Anlage verstößt u.a. weiterhin gegen die grundlegenden Sicherheitsgrundsätze des gestaffelten Sicherheitskonzepts.

Vor dem Hintergrund Ihrer Sicherheitsbewertung wird die RSK Stellungnahme in der Öffentlichkeit und durch den Betreiber von Tihange 2 nun jedoch als Bestätigung für nachgewiesene Sicherheit verstanden. Würden die Prüfungsmaßstäbe der RSK generell als Basis von Sicherheitsbewertungen auf die vielen alten insbesondere grenznahen Atomkraftwerke angewandt, führte dies zu einer dramatischen Erhöhung des nuklearen Risikos in Deutschland und in Europa.

Wir bitten Sie, Ihre Sicherheitsbewertung von Tihange2 auf der Grundlage unserer Stellungnahme nochmals zu überprüfen. Dabei regen wir an, die Regeln moderner Partizipation von Betroffenen und zivilgesellschaftlichen Organisationen, wie sie im europäischen Rahmen geforderter Standard und in vielen Ländern Praxis sind, in diesem Verfahren zu berücksichtigen.

Die INRAG wendet sich mit ihrer Stellungnahme und diesem Schreiben auch an die Öffentlichkeit, um die erforderliche Transparenz in der Diskussion über die Risiken des Kernkraftwerks Tihange 2 und über die Aufrechterhaltung der geltenden Sicherheitsstandards zu erhöhen.

Hochachtungsvoll

Dr. Nikolaus Müllner, Vorsitzender der INRAG